Nette Diskussionen hier drin, muss ich schon sagen.
Aber nun mal zum Topic:
Spannendes Projekt, wenngleich ich da extrem skeptisch bin, dass dies zum Fliegen kommt. Auch wenn ich der Sache wohlgesinnt bin, sehe ich aktuell noch viel mehr Fragezeichen als Antworten dafür, dass die Herren bereits an die Medien gelangt sind. Durch den Bericht habe ich auch erst davon erfahren, auch wenn ich mich selber jetzt als Football-affin, aber nicht -Fan bezeichnen würde. Habe oftmals die Lions in Luzern live verfolgt und schaue ab und zu NFL. Einer grösseren Menge an Leuten ist das Projekt jedenfalls (noch) nicht bekannt.
Verantwortliche:
Sehe ich das richtig, dass hier nicht wirklich viele Schweizer mit an Bord sind? Mir persönlich spielt dies ja keine Rolle, bin immer offen für Neues. Aber ein bisschen "Lokalkolorit" und Kenntnisse der hiesigen Geschichte und Mentalität könnte sicher nicht schaden. Dann wäre auch der nächste Punkt besser gelungen:
Name:
Generell einmal: Wer zum Henker kommt auf diesen Namen? Im ursprünglich "erzreformierten" bzw. "erzprotestantischen" Zürich ein Team nach der katholischen päpstlichen Garde benennen? Von Zürich aus wurde in der Deutschschweiz die Reformation durch Huldrich Zwingli vorangetrieben. Später führten die protestantischen Kräfte um Zürich und Bern im 19. Jahrhundert einen Krieg gegen die katholischen Kantone aus der Zentral-, Ost- und Südschweiz. Als Schweizer fühle ich mich da generell nicht wirklich angesprochen. In meinem Kollegenkreis wird die päpstliche Garde eher verspottet und als Truppe von Ewiggestrigen mit lustigen Kostümen angeschaut. Aber ich wohne auch in der Stadt (Luzern, historisch erzkatholisch notabene) und habe da womöglich ein anderes Weltbild als die Leute vom Land.
Da hatte das Eishockey-Luftschloss "Helvetics" eine bessere, neutralere Namenswahl getätigt. Diese wollten damals in die KHL inkl. Stadionneubau in der Region Rothrist-Roggwil-Langenthal, wo die grossen Verkehrsachsen aufeinandertreffen. Mit Helvetier kann man nicht viel falsch machen in der Schweiz, die sind ja auch schon lange Geschichte und eher so ein Mythos, als dass man viel über sie wüsste.
Stadion:
In und um Zürich (im Schweizerisch kleinräumigen Verständnis) gibt es den Letzigrund, mit viel Goodwill noch Winterthur, sowie Wettingen oder Baden. Dann noch den Utogrund, sowie die Sportanlagen Herrenschürli oder Buchlern, sowie kleinere Anlagen von "Quartiervereinen", welche aber ohne grosse provisorische Tribünen keine "Kesselwirkung" erzeugen können.
Da es weder Letzigrund noch die Schützenwiese werden sollen, kann also von "Stadion" keine Rede sein. Man wird auf einem besseren Sportplatz spielen. Oder dann aber kein Team aus Zürich stellen, welches in der Schweiz als solches angeschaut werden würde.
Im Radius von ca. 1-1.30h Fahrzeit (was in der Schweiz regionentechnisch als halbe Weltreise angesehen wird) gäbe es Stadien in Luzern, St. Gallen, Schaffhausen (Kunstrasen), Basel, Bern. Zudem weitere kleinere Stadien bzw. Tribünen von kleineren Teams im Fussball wie Wil, Kriens, Rapperswil, Aarau, Zug, oder auch in Basel, Bern oder Luzern um einige zu nennen. Das ist aber alles nicht Zürich und wird von den Leuten auch nicht so wahrgenommen. Angekündigt als "Zürcher Team" wäre die Akzeptanz in einer anderen Stadt wohl anfangs relativ klein.
Roster:
M.E. der grösste Knackpunkt, vor allem mittel- bis langfristig.
Da ein Grossteil der Spieler aus der Schweiz stammen müsste, bräuchte es Spieler aus der ganzen Schweiz, um ein ansprechendes Niveau zu spielen. Ob genügend Spieler dazu bereit wären in die Nähe von Zürich zu ziehen im Status eines Amateurs/Halbprofis?
Die Schweizer Liga würde parallel jedenfalls ziemlich an Niveau einbüssen.
Fanbasis:
Für mich der zweite ganz grosse Knackpunkt!
Wie schon angetönt, funktioniert die Schweiz sehr kleinräumig. Da gibt es zum einen starke lokalpatriotische Strömungen und Gesinnungen in den einzelnen Kantonen, zusätzlich aber noch den Mentalitätsgap zwischen der Deutschschweiz und der "lateinischen Schweiz", wo Französisch (Westschweiz), Italienisch (Tessin,Graubünden) und Rätoromanisch (Graubünden) gesprochen wird. Zu gut Schweizerdeutsch auch Röstigraben (D-F), bzw. Polentagraben (D-I) bezeichnet. Ein Team für die Schweiz als Ganzes wird kaum funktionieren.
American Football steht hier in der Gunst der Leute generell sehr weit hinten, wobei ich sowas wie einen kleinen Boom in Punkto Interesse feststelle. In den Medien findet die Sportart aber praktisch nicht statt, sie muss sich hinter Fussball, Eishockey, Wintersport, Tennis, Unihockey, Handball, Leichtathletik, Rad oder auch Basketball (lateinische Schweiz) anstellen. Entsprechend ist es schwierig, aber nicht unmöglich, wirklich viele Leute für das Projekt zu begeistern. Ein Insta-Like heisst da erstmal ja nicht wirklich viel. Entscheidend wird sein, ob sich andere Deutschschweizer durch die Guards vertreten fühlen. Sonst wird es wohl einfach als weiteres Zürcher Team wahrgenommen und entsprechend ignoriert. Eine oder zwei Stunden Fahrzeit sind in der Schweiz ausserdem doch relativ viel, da herrscht eine ganz andere Wahrnehmung als in Deutschland. Chancen sehe ich in der grossen "Expat"-Community in und um Zürich, welche sich jetzt nicht allzu stark mit den bestehenden Fussball- oder Eishockeyvereinen identifizieren.
Löhne/Miete:
Die Saison an sich ist ja nicht wirklich lang. Um Zürich herum findet man ausserdem auch preiswertere Wohnungen, wo Imports z.B. in Wohngemeinschaften o.ä. untergebracht werden können. Die Hemmschwelle, den eigenen Job zu verlassen, ist in der Schweiz aber wohl doch sehr hoch, da das Lohnniveau wie auch die Lebenskosten halt massiv höher sind als in Deutschland. Ein Experiment als rel. schlecht bezahlter Football-Halbprofi kann mittel- bis langfristig natürlich schon zu Einbussen im Lebensstandard führen.
Zusammenarbeit / Akzeptanz bei anderen lokalen American Football Teams:
Man hat da ja schon mal einen ziemlichen Alleingang gewagt. In einem Land mit mässiger Begeisterung für den Sport, wo viele Teams Mühe haben, genügend Spieler zu rekrutieren, kann dies schnell einmal zu bösem Blut führen. Auch wenn man zunächst positive Signale aussendet, wenn es dann effektiv ums Eingemachte geht (Spieler abwerben etc.), hört bei einigen der Spass dann wohl auf.
Mein Bruder - selbst jahrelang aktiv - meinte dazu noch, dass er es eigentlich auch mal begrüsse, wenn jemand die Szene mal aufmischt.
Fazit:
Ich will nicht alles schlecht reden. Lassen wir die Herren einmal arbeiten. Wenn es denn wirklich zustande kommt, werde auch ich mir die Geschichte einmal vor Ort anschauen. Daher bin ich jetzt einfach mal gespannt, wie und wo sie das Projekt effektiv aufziehen werden.