Es gibt für Alles ein erstes Mal

Einige Statistiken müssen nach diesem Wochenende umgeschrieben werden. Zum Beispiel die, dass die Braunschweig Lions noch nie ein Interconference Spiel gegen eine Mannschaft der Südstaffel verloren haben. Oder auch die private Statistik von Jo Ullrich. Der Quarterback der Deutschen Football Nationalmannschaft, frisch dekoriert mit einer Gold Medaille von den World Games, konnte bisher mit vier Vereinen nicht gegen die Niedersachsen gewinnen. Dieses Mal sollte alles anders kommen. In einem begeisternden Spiel schlug der Underdog aus der hessischen Provinz die Etablierten aus Braunschweig mit 34:17 und sorgten damit für die Sensation des Spieltages.

Dabei hatte zu Beginn des Spiels noch so gar nichts nach einem Sieg der „Söldner“ ausgesehen. Mit seinem bekannt nüchternen „Game Plan“ nutzte Head Coach Kent Anderson die Schwachstellen in der Marburger Defense aus und kam relativ leicht zu seinem ersten Touchdown. Eric Yuma war es vorbehalten eine der zahllosen „Bubble Screens“ seines Quarterbacks Rainbow zu verwerten. Nach Steffen Dölgers Extrapunkt stand es erwartungsgemäß 0:7 und viele auf der Tribüne des Georg-Gaßmann-Stadions dachten wohl schon an die von fast allen Experten prognostizierte Niederlage. Doch Marburg fing sich. Von Coach Arbon akribisch auf den Gegner eingestellt begann man, nach einem misslungenen Trickspielzug, sich auf die Erfolgstugenden zu besinnen. Ullrich zeigte Ruhe in der „Pocket“, Henderson und Pawelka fingen wieder alles was auch nur annähernd in ihre Richtung kam, und auch Runningback gerome Castleberry hatte einen guten Tag erwischt. Hinter einer aufopferungsvoll kämpfenden Offensive Line gelang es dem Texaner immer wieder die nötigen First Downs zu erzielen, auch wenn er zuvor oftmals bereits im Backfield zu Boden gebracht wurde. Seine Geduld sollte sich auszahlen. Beim dritten Versuch brach Castleberry durch die Linie und war auch bei seinem folgenden 50 Yard Sprint von Niemandem mehr aufzuhalten. Leider wurde der Extrapunkt von Kicker Peter Müller geblockt, so dass es am Ende des ersten Viertels 7:6 für die Gäste stand.

 

Im zweiten Viertel deutete sich dann schon an, was sich durch den Rest der Partie ziehen sollte. Die konsequent pfeifenden Schiedsrichter – neutrale Beobachter würden hier teilweise auch von kleinlich sprechen – warfen viele Flaggen, ohne jedoch das eine oder andere Team zu bevorteilen. Zunächst wurden die Marburger mit zwei 15-Yards-Strafen getroffen, die den „Lions“ halfen bis kurz vor die Endzone der Hausherren vorzudringen. Einen kurzen Lauf von Kim Kuci, der noch im Hinspiel des Feldes verwiesen worden war, später stand es dann 14:7 für die Gäste. Die Mercenaries aber blieben ruhig und spielten ihren Stiefel mit dem aus den letzten Spielen gewonnenen Selbstvertrauen herunter. Nach einigen kurzen Pässen auf Filip Pawelka fand Castleberry wieder die Lücke und schaltete den Turbo ein. 45 Yards später hatte er nicht nur etliche „Stiff Arms“ verteilt, sondern seine Farben auch wieder in Schlagdistanz zum Favoriten gebracht. Nach dem erfolgreichen Extrapunkt hatte man auf 13:14 verkürzt. Doch damit nicht genug. Angetrieben von rund 1.600 Zuschauern, von denen ein Großteil aus Braunschweig angereist war, spielte man einen vierten Versuch aus und wurde belohnt. Ein tiefer Pass auf Filip Pawelka bestrafte die zu weit aufgerückte Defense der „Löwen“ und sorgte für die erste Führung der Mercenaries. Diese sollten sie im Verlauf der Partie nicht wieder abgeben. Kicker Steffen Dölger gelang noch vor der Pause ein 40 Yard Fieldgoal, so dass es mit einem 20:17 in die Pause ging.

 

Schon zu diesem Zeitpunkt war es still geworden bei den Braunschweiger Fans. Von der erwarteten leichten Auswärtshürde hatte man sich gedanklich jedenfalls schon verabschiedet. Ganz anders Head Coach Anderson, der noch in der Pause mit hochrotem Kopf versucht hatte seiner Mannschaft zu vermitteln, was gerade falsch lief. Es sollte nicht viel helfen. Im Gegenteil gestalteten die Marburger den zweiten Durchgang noch souveräner als den ersten und ließen letztendlich in der Defense keine Punkte (!) mehr zu. Es schien fast alles zu gelingen. Akrobatische Ballfänge von Pawelka und Müller, Sacks von Overly und Fritz sowie eine Interception von Sebastian Tuch brachten auch den letzten Skeptiker auf den Gedanken, dass heute vielleicht mehr drin sein würde, als „nur gut auszusehen“. Noch im dritten Viertel erhöhte Castleberry aus kurzer Distanz auf 27:17 und stellte im letzten Spielabschnitt mit seinem vierten Touchdwon an diesem Tage den Endstand von 34:17 her.

 

Ein Sieg dessen eigentliche Sensation die Abgeklärtheit war, mit der die Mercenaries agierten. Nichts war da zu spüren von Angst vor dem angeblich übermächtigen Gegner. Im Gegenteil wurde der Gegner, der zugegebenermaßen nicht seinen besten Tag erwischt hatte, über Strecken des Spiels beherrscht. Das man nunmehr zum Kreis der Titelanwärter gehört, davon will man in Marburg nichts wissen. „Wir sind auf einem guten Weg, wissen aber ganz genau, dass Football ein Tagesgeschäft ist. Wir lassen uns jedenfalls nicht in irgendeine Rolle drängen, sondern arbeiten einfach konzentriert weiter an unserem Ziel.“, so Vizepräsident Arik Bredendiek zu der momentanen Entwicklung des Vereines. Gefragt, was den das konkrete Ziel sei, antwortet der Jurist mit einem Augenzwinkern. „Einfach so weit zu kommen wie möglich.“

 

Nach einer spielfreien Woche geht es für die Mercenaries zum Spiel bei den Munich Cowboys.

 

Weitere Spiele des Wochenendes:

 

Stuttgart Scorpions vs. Dresden Monarchs 37:35

Cologen Falcons vs. Munich Cowboys 13:7

Berlin Adler vs. Schwäbisch Hall Unicorns 33:35