Mit der Rückennummer 93 stand der Meister im Gewichtheber in der Abwehrreihe der Cowboys, sprintete und kämpfte. Bei seinem ersten Einsatz für die Münchner erzielte er sogar einen Touchdown, als er einen fallen gelassenen Ball der gegnerischen Mannschaft aufnahm und in die Endzone bugsierte. Nerlinger, der einst in der Gewichtsklasse über 110 Kilogramm immense Tonnagen bewegt hat, profitierte als Verteidiger beim American Football von seinem massigen Körper. Und von seiner enormen Schnellkraft als Gewichtheber.
Der Disziplinen-Wechsel funktioniert auch in umgekehrter Richtung: Mit Techniken des Gewichthebens können Footballer ihre Muskelqualität enorm verbessern und Schnellkraft entwickeln, weiß Cowboys-Abwehrspieler Gunther Renner. Das ist gerade für Line-Spieler extrem wichtig. Wie Footballer profitieren darum ging es am vorigen Wochenende bei einem Gewichtheber-Seminar der Munich Cowboys in Kooperation mit dem ESV Neuaubing. Das ist der Verein, für den Manfred Nerlinger, der heutige Jugend-Bundestrainer, in den achtziger und neunziger Jahren in der Bundesliga auf dem Heberboden stand.
Nerlingers Vereinskollege Christian Koherr, bayerischer Landestrainer im Gewichtheben, leitete das Seminar und räumte ein, dass der Titel Gewichtheber-Seminar ein wenig irreführend sei, da der vollständige Bewegungsablauf vom Reißen und Umsetzen bis zum Stoßen für Footballer nicht geeignet ist. Es geht um Teilbereiche wie zum Beispiel die Zugübung oder die Kniebeuge zur Maximalkraft-Entwicklung. Wer sich auf diese Teilbereiche beschränke, könne Beine, Rücken, Schulter oder Schnellkraft mit Hebeltechniken des Gewichtshebens optimal trainieren. Die Langhantel, sagt Koherr, decke alle Bereiche mit einer einzigen Übung ab. Das funktioniert allerdings nur über das Langhantel-Training mit Maschinen oder mit der Kurzhantel kann ich den selben Effekt nicht erzielen.
Prominente Unterstützung erhielt Christian Koherr am zweiten Tag der Weight Lifting Clinic: Max Mühlbauer, Welt-, Europa- und Deutscher Meister im Gewichtheben und Trainer am Olympiastützpunkt München, führte den Teilnehmern das Trainingsprogramm vor. Dabei wurde deutlich, dass das Krafttraining der Gewichtheber eine intensive, zeitsparende Form des Trainierens darstellt. Ich muss nicht drei Stunden ins Fitness-Studio gehen, wenn ich eine Stunde Langhantel-Training machen kann, meint Koherr. Das Krafttraining der Gewichtheber verbessere koordinative Fähigkeiten von Athleten. Durch die Komplexität der Übung steigt auch deren Effektivität.
Footballer müssen sprinten und blocken. Dafür, sagt Christian Koherr, bieten sich Gewichtheber-Techniken geradezu an. Wenn ich leistungsmäßig Football spielen will, muss ich ein leistungsmäßiges Krafttraining machen. Wie für einen Leichtathleten oder Bobfahrer gehöre das in einen anspruchsvollen Trainingsplan. Koherr hat ein Belastungsschema für Ballsportarten errechnet. Es sieht zwei, drei Trainingseinheiten vor Saisonbeginn und ein bis zwei Einheiten während der Spielzeit vor. Rund drei Monate vor Saisonbeginn sollten Athleten damit beginnen und Intensität sowie Umfang der Übungen stetig steigern. Zum Wettkampf hin steigt die Intensität weiter an, der Umfang der Übungen nimmt bereits wieder ab, erläutert Koherr. Hat die Saison begonnen, sollte auch die Intensität heruntergefahren werden.
Gewichtheben aufgrund der enormen Schnellkraft der Athleten gilt es als schnellste Sportart überhaupt. Beim Krafttraining steuern Gewichtheber bestimmte Muskelgruppen gezielt an, was zu außerordentlichen athletischen Fähigkeiten führt. Alle Gewichtheber sind gute Sprinter und Springer, erzählt Christian Koherr und nennt Marc Huster und Ronny Weller als herausragende Beispiele: Marc Huster hat mal einen Schlusssprung von 3,15 Meter gemacht. Ronny Weller ist die ersten 30 Meter schneller gelaufen als Leichtathleten im Bundeskader.