....Preussen und die Rheinländer, eine nicht ganz unproblematisch Geschichte!
Die Hohenzollern am Niederrhein
Die Übernahme der klevischen Erblande nach 1609/14 durch das brandenburgische Herrscherhaus im Zeitalter des Absolutismus löste auch Konflikte mit den niederrheinischem Ständen und Städten aus. Die Befreiung von bestimmten Steuerzahlungen sowie die Kompetenz, autonomes Recht zu setzen, waren verbürgte Rechte, die Adel und Städten seit alters her zustanden.
Im Gegensatz dazu standen die Bestrebungen der brandenburgischen Kurfürsten, trotz der regionalen Vielfalt in ihren Besitzungen, eine harmonisierte Verwaltung aufzubauen.
Auffallenderweise beriefen sich alle drei Seiten bei ihrer Argumentation auf die Situation in den nahen Niederlanden und suchten dort nach Unterstützung für ihre Position. So nimmt es nicht wunder, dass der Grosse Kurfürst eine Person zu seinem Statthalter ernannte, der die Verhältnisse in den Niederlanden nicht nur gut kannte, sondern dort auch höchstes Ansehen genoss: Johann Moritz von Nassau-Siegen. Mit dessen Hilfe gelang es denn auch, 1666 einen Ausgleich mit Ständen wie Städten zu erreichen und so die Herrschaft des brandenburgischen Kurfürsten am Niederrhein zu festigen.
Preußen wird ein Königreich
Der Große Kurfürst hatte das Fundament zum Aufbau eines neuen Staatswesens geschaffen, sein Nachfolger , Kurfürst Friedrich III., trachtete danach, den jungen Staat durch Erlangung der Königswürde im Kreis der europäischen Mächte aufzuwerten. Am 18. Januar 1701 setzte sich Kurfürst Friedrich in Königsberg die Königskrone auf. Die Königskrone stellte das verbindende Band um die verstreuten und verschiedenartigen hohenzollernschen Besitzungen dar, sie bildete das gemeinsame Staatssymbol und die Voraussetzung für ein langsam wachsendes eigenständiges Staatsbewußtsein. Gleichzeitig wurde der Schwarze-Adler-Orden gestiftet als höchste Auszeichnung der Monarchie, der sich in diesen Kontext nahtlos einfügte. Dieser Orden war auch für die geistige Grundlegung der Monarchie von Bedeutung.
Die Adlersymbolik wurde als Sinnbild der königlichen Gerechtigkeit gedeutet, die jedwedem nach seinen Verdiensten zuteil werden sollte. Der zur Sonne, zu Gott auffliegende Adler war zugleich als symbolische Verpflichtung für den König und die Träger des Ordens gedacht, vor allem andern Gott zu dienen. Die Devise "Suum cuique" (latein - deutsche Übersetzung: "Jedem das Seine") nach dem römischen Stoiker Seneca weist auf die Übernahme antiker Philosophie und ihrer ethischen Maximen hin, was sich nachhaltig auf die Ausformung der "Preußischen Tugenden" auswirken sollte. Auch hier zeigen sich enge Verbindungen zu den Niederlanden, von denen die Wiederentdeckung des Stoizismus ausgegangen war und von dort - wie auch das Vorbild für die preußische Heeresreform oder wirtschaftliche und verkehrstechnische Neuerungen - übernommen wurden. Die niederrheinischen Besitzungen Brandenburg-Preußens erfüllten hierbei eine wichtige Brückenfunktion.
Das Rheinland unter französischer Herrschaft
Die Territorien am Niederrhein bekamen 1794 als erste die durch die Französische Revolution verursachten Veränderungen zu spüren. Nach 1806 gehörten alle ehedem preußischen Besitzungen in Nordwestdeutschland dem französischen Staat an oder unterlagen seinem Einflußbereich. Die zwei Jahrzehnte dauernde französische Herrschaft entfaltete besonders in den Rheinlanden eine weit bis in das 19. Jahrhundert reichende Prägekraft auf Regionen, die nach 1815 wieder oder erstmals an Preußen fielen. Hierzu gehören die Modernisierung in Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft, besonders die Einführung eines freiheitlichen Rechtssystems mit dem Grundsatz der Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz. Für die Integration des Rheinlandes in Preußen nach 1815 waren diese französischen Einflüsse ein schweres Erbe. Die schließliche Beibehaltung des auf dem "Code Napoleon" beruhenden Rechtssystems und die Gewährung einer eigenen rheinischen Gemeindeordnung waren die wichtigsten Zugeständnisse an den rheinischen Regionalismus.
Die Reformen in Preußen - verbunden mit den Staatsmännern Stein und Hardenberg - wurden durch das französische Vorbild massiv vorangetrieben. Die für Preußen existenzgefährdende Vorherrschaft Napoleons nach 1806/07 ermöglichte diese weitreichenden Veränderungen in Staat und Gesellschaft: Kommunale Selbstverwaltung, Bauernbefreiung, Gewerbefreiheit, Emanzipation der Juden sowie Militärreformen bilden den Kern dieser Maßnahmen, die nicht unmittelbar umgesetzt aber für die Modernisierung des preußischen Staates wegweisend wurden.
Rheinromantik
Der Rhein: Ziel von Träumen und Touristen
Im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts entwickelte sich das Rheinland zu einem beliebten Reiseziel, zu einer Art preußischer Adria. Anziehend wirkte dabei nicht allein der Reiz der Landschaft, sondern auch die Mentalität ihrer Bewohner. Besucher von jenseits der Elbe staunten über die Leichtigkeit, ja Ausgelassenheit der Rheinländer und über ihre Art, das Leben zu genießen. Sogar preußische Beamte blickten sehnsuchtsvoll nach Westen.
Im Zeichen der Rheinromantik gewann der Rhein auch einen besonderen Stellenwert für das nationale Empfinden der Deutschen und als Kristallisationspunkt politischer Hoffnungen. In der Abwehr französischer Expansionsgelüste verfasste Nikolaus Becker sein Rheingedicht „Der deutsche Rhein“ (September 1840), das eine Welle nationaler Begeisterung auslöste und eine Fülle ähnlicher Poeme nach sich zog. Hierzu gehörte auch Max Schneckenburgers Lied „Die Wacht am Rhein“ (November 1840), das seit 1870 / 71 den Deutschen ihre fehlende Nationalhymne ersetzte.
Das im Jahre 1887 errichtete Niederwalddenkmal bei Rüdesheim wurde zu einem nationalen Symbol. Nach der Reichsgründung von 1871 wurden politische, konfessionelle und mentale Unterschiede zwischen Rheinländern und Preußen zunehmend durch den deutsch-nationalen Aspekt überlagert.
Katholisches Rheinland und protestantischer Staat
Die Spannungen zwischen preußischem Staat und katholischer Kirche, die im Rheinland latent vorhanden waren, gerieten im sog. Mischehenstreit in den 1830er Jahren zur Explosion. Die staatliche Regelung, dass in gemischt-konfessionellen Ehen die Religion der Kinder immer der Konfession des Vaters zu folgen hatte, wurde vom Kölner Erzbischof Droste Vischering nicht hingenommen. Seine Weigerung eskalierte schließlich in der Verhaftung des Bischofs im November 1837. Die Empörung darüber war enorm und ließ Droste Vischering zur Symbolfigur des katholischen Widerstands gegen den Staat werden. Das Kölner Ereignis insgesamt wurde so auch zum Erweckungserlebnis des politischen Katholizismus. Die Auseinandersetzungen zwischen rheinischem Katholizismus und dem preußischen Staat erlebten während des Kaiserreichs im "Kulturkampf" einen weiteren Höhepunkt, der zu antipreußischen Ressentiments führte. Auch hier erfolgte die Verhaftung eines Kölner Erzbischofs 1874 unter politischen Vorzeichen. Doch scheint die allgemeine nationale Begeisterung besonders in den Jahren des Wilhelminismus nach 1890 schießlich auch in den katholisch-dominierten Rheinlanden zu einer Aussöhnung mit dem preußischen Staat geführt zu haben.
Revolution in der Rheinprovinz
Als im März 1848 die rheinischen Liberalen Camphausen und Hansemann zur Führung der neugebildeten preußischen Regierung berufen wurden, schien die Rheinprovinz das Übergewicht über die ostelbischen Kernlande der Monarchie erlangt zu haben. Sahen die Liberalen ihre politischen Ziele damit fast schon erreicht, wurde die Rheinprovinz daneben auch zum Zentrum der demokratischen und sozialrevolutionären Agitation in Preußen. Als weiterer politischer Faktor trat die katholische Bewegung hervor, welche die kirchliche Unabhängigkeit vom Staat anstrebte.
Aus der von je her unbequemen wurde 1848/49 eine unruhige Provinz - ihre Loslösung von Preußen fand aber zu keinem Zeitpunkt eine Mehrheit. "Revolution" bedeutete auch in den Rheinlanden eine Vielzahl örtlich und politisch zersplitterter Aktionen, hinter denen kein einheitlicher Wille stand, und die insgesamt nur von einer Minderheit der Bevölkerung getragen wurden.
Köln, Düsseldorf und auch Elberfeld bildeten lokale Zentren. Vornehmlich im September und November 1848 und dann zuletzt im Mai 1849 erfolgten verschiedene Zusammenstöße mit preußischem Militär. Die Regierung konnte ihren gegenrevolutionären Kurs - flankiert durch juristische und militärische Unterdrückungsmaßnahmen - letztlich durchsetzen, ohne dass es zu einem Aufstand wie in der Pfalz und in Baden kam.
Ich hoffe ich konnte Dir einen Einblick in die rheinische seele geben....
